29. Mai 2014, 14:08
30. Dez 2014, 17:47
10. Jul 2020, 19:35
Phantom hat geschrieben:Hallo zusammen
In der neuesten Ausgabe des Automobil-Club Verkehr ist ein interesantes Urteil veröffentlicht worden.
Schutzkleidung für Rollerfahrer
Rollerfahrer tragen nach einem Verkehrsunfall nicht automatisch eine Mitschuld,wenn sie keine
Schutzkleidung tragen.So hat das Landgericht Heidelberg entschieden(AZ 2 0 203/13)und betont,
dass es keine Protektorenpflicht auf Motorroller gibt.Im verhandelten Fall nahm ein Auto einem
Motorroller die Vorfahrt und rammte ihn,der Rollerfahrer trug mehrere Beinbrüche davon.Der Verletzte
trug zwar einen Helm,die Versicherung des Unfallverursachers aber mente,dass er weniger Verletzungen
erlitten hätte,wenn er eine vollständige Motorradschutzkleidung getragen hätte.Daher könne er
keinen kompletten Schadenersatz Forden.Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht und
befand,hier gelte dasselbe wie für den Helm bei Radfahrern,wie erst kürzlich der Bundesgerichtshof
klarstellte.
Es war ein warmer Sommertag. Der Oberösterreicher fuhr mit seinem Motorrad in leichter Bekleidung, er war ja ohnehin "nur" auf dem kurzen Heimweg vom Fischteich. Ein folgenschwerer Fehler.
Der Biker überholte mit 100 km/h eine Kolonne, als unvermittelt ein Auto ausscherte und das Motorrad touchierte. Der Mann stürzte und rutschte 61 Meter weit über die Fahrbahn. Dabei zog er sich nicht nur Rippenbrüche, sondern auch tiefe Abschürfungen am Knie- und Ellenbogengelenk mit Eröffnung des Schleimbeutels zu.
Die Schuld des Autolenkers, der aus der Kolonne ausgebrochen war, ist unstrittig. Aber muss sich der Motorradfahren eine Mitschuld an den Folgen des Unfalls anrechnen lassen?
Mehr Schmerztage
Er hatte an dem Tag ein kurzärmeliges T-Shirt und eine kurze Hose getragen; immerhin hatte der Mann einen Sturzhelm auf. Im Prozess um Schadenersatz stellte ein Sachverständiger fest, dass eine Motorrad-Schutzbekleidung aus Gore-Tex-Material die Rutschstrecke auf dem Asphalt sicher ausgehalten hätte, so dass die Hautverletzungen zum Großteil oder sogar gänzlich unterblieben wären.
Auch eine Lederkluft hätte wahrscheinlich das Schlimmste verhindert. In dem Gutachten wird ausgerechnet, dass die zwei Tage starken, vier Tage mittleren und acht Wochen leichten Schmerzen deutlich verringert hätten werden können: Und zwar auf einen Tag starke, zwei Tage mittlere und fünf Wochen leichte Schmerzen.
Aus der mangelnden Schutzkleidung ein Mitverschulden mit Schmälerung der Schadenersatzansprüche abzuleiten, ist Neuland. Zwei Gerichtsinstanzen wiesen die Einwürfe des Unfalllenkers ab: Für solche relativ kurze Strecken (im konkreten Fall fünf Kilometer) habe sich noch keine soziale Norm herausgebildet, wonach jeder Vernünftige die Fahrt nur nach Anlegen einer Schutzkleidung zurücklegen würde. Auch sah sich der Gesetzgeber bisher nicht veranlasst, eine Pflicht zum Tragen der Schutzkleidung anzuordnen.
Der Oberste Gerichtshof sprach jedoch ein Machtwort und erklärte die erhöhte Eigengefährdung durch das Fahren ohne Schutzkleidung auch bei kurzen Fahrten für eine "Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten". Das Urteil wird in Fachmedien heftig diskutiert.
Das Höchstgericht verwies auf Entscheidungen in Deutschland, bei denen Schmerzensgeld gemindert wurde, weil verunglückte Biker nur mit Stoffhosen bekleidet waren.
Dem nachlässigen Oberösterreicher wurde von den 3000 Euro Schmerzensgeld für die Hautverletzungen ein Viertel (750 Euro) abgezogen.