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Aufsichtspflicht der Eltern / Radfahrer kontra Motorradfahre

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#1 Aufsichtspflicht der Eltern / Radfahrer kontra Motorradfahre

von VH1962 » 21. Nov 2013, 09:00

Ein Motorradfahrer fuhr auf einer innerörtlichen Straße. Vor ihm auf dem Gehweg fuhr ein neun Jahre und zehn Monate alter Junge auf seinem Fahrrad. Unmittelbar bevor der Motorradfahrer den Radfahrer passierte, fuhr der Junge rechtwinklig nach links, um die Straße zu überqueren. Um einen Zusammenstoß mit dem Kind zu verhindern, riss der Motorradfahrer sein Fahrzeug herum und legte es auf die Seite. Hierdurch entstand erheblicher Sachschaden. Der Motorradfahrer war aufgrund seiner Verletzungen drei Wochen arbeitsunfähig. Er machte gegenüber den Eltern des Kindes Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht für den minderjährigen Sohn geltend.



Beim Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) hatte er damit jedoch keinen Erfolg.

Kinder unter zehn Jahren haften nicht im Straßenverkehr Ansprüche gegen das den Unfall verursachende Kind selbst versuchte der geschädigte Motorradfahrer im vorliegenden Fall erst gar nicht durchzusetzen. Zwar haften Minderjährige ab dem 7. Lebensjahr für Fremdschäden, wenngleich diese Haftung im jeweiligen Einzelfall vom fortgeschrittenen Alter sowie der Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen abhängt.

Im Straßenverkehr gilt jedoch seit 1. 8. 2002 eine besondere Regelung:

Danach ist ein Kind, das älter als sieben, aber noch nicht zehn Jahre alt ist, für Schäden, die es bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug oder Schienenfahrzeug einem anderen zufügt, nicht verantwortlich (§ 828 Abs. 2 BGB; Ausnahme: vorsätzliche Schädigung durch das minderjährige Kind). Nach dieser Vorschrift schied somit jeglicher Schadeneratzanspruch gegen den Jungen von vornherein aus.



Aber auch Ansprüche gegen die Eltern lehnte das OLG ab. Eltern haften für ihre minderjährigen Kinder, sofern diese einem anderen Schaden zufügen. Allerdings tritt diese Ersatzpflicht der Eltern nicht ein, wenn sie ihrer Aufsichtspflicht genügt haben.



Bei der Feststellung der rechtlichen Anforderungen an die Aufsichtspflicht von Eltern ist nach der Rechtsprechung davon auszugehen, so das OLG, dass sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes, nach der Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie danach richtet, was verständige Eltern in der konkreten Situation an erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen treffen müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu verhindern.



Diese - recht abstrakte - Umschreibung der Anforderungen an die Aufsichtspflicht übertrug das Gericht auf die Situation der Teilnahme eines minderjährigen Kindes im Straßenverkehr. Danach werden Kinder jedenfalls zu Beginn der allgemeinen Schulpflicht mit sechs Jahren üblicherweise an die Teilnahme im Straßenverkehr herangeführt. Dabei steht zunächst die Verkehrsteilnahme als Fußgänger und die Zurücklegung des Schulwegs ohne Begleitung der Eltern im Vordergrund. Nachdem dies erfolgreich durchlaufen ist, folgt zumeist die Teilnahme als Radfahrer im Straßenverkehr, und zwar auch ohne Begleitung der Eltern, nachdem das Kind das Radfahren technisch beherrscht, hinreichend fahrsicher ist, die wesentlichen Verkehrsregeln erlernt hat und die Eltern sich durch Kontrollen vergewissert haben, dass sie ein verkehrsgerechtes Verhalten des Kindes im Straßenverkehr erwarten dürfen.

Es entspricht daher gesicherter Rechtsprechung, so das OLG, dass jedenfalls ein fast achtjähriges Kind, das ein Fahrrad hinreichend sicher zu fahren vermag und sich über eine gewisse Zeit im Verkehr bewährt hat, auch ohne eine Überwachung durch die aufsichtspflichtigen Eltern mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnehmen kann, etwa um zur Schule zu fahren oder einen sonst bekannten, geläufigen Weg zurückzulegen.

Das OLG sah im vorliegenden Fall keinen Grund, von dieser gängigen Rechtsprechung abzuweichen: Der Junge war hier neun Jahre und zehn Monate alt und hatte - nach seiner eigenen glaubhaften und plausiblen Aussage - anleitendes Training der Verkehrsregeln durch seine Eltern erhalten, überdies Verkehrsunterricht in der Schule. Er war zum Unfallzeitpunkt bereits mehr als ein Jahr mit dem Fahrrad auf Strecken ohne Begleitung der Eltern unterwegs. Auch die Strecke zu seinem Freund, den er am Unfalltag besuchen wollte, hatte er bereits mehrfach ohne Begleitung der Eltern zurückgelegt. Nach alledem sahen die Richter keine Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht.

Urteil(OLG Oldenburg, 1 U 73/04)


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